Die Schweizermacher ***

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Foodtrucks und Essen im Vorübergehen sind en vogue. Davon lebt auch die jährliche Eat&Style, das Sahnehäubchens des traditionellen Stuttgarter Messeherbstes. Hier lassen sich internationale Spezialitäten verkosten, auch wenn ihre tatsächliche Provenienz nicht immer den naheliegenden Assoziationen entspricht.

So residiert unter mächtiger Schweizer Flagge ein schmackhaftes Käse-Imperium, dessen engagierte Crew durch schwäbischen Zungenschlag beeindruckt. Ein Schelm, wer hier an kulinarisch-kulturelle Aneignung denkt. Mein besonders Lob gebührt dem Knöpfli-Koch, der in meditativen, gymnastisch anmutenden Tai-Chi-Bewegungen geübt die Kässpätzlemischung durch die Pfannen zieht.

Menge: eine ordentliche Portion, von der gleich zwei neugierige Testesser schnabulieren können (die 30 Cent Aufpreis für die zweite Gabel wird mir freundlicherweise erlassen)
Spätzle: die "Knöpfli" stammen aus Ulm, wie mir unter der Hand zugeflüstert wird
Käse: "soo... chäsig": Appenzeller und Bergkäse in einem geheim gehaltenen Verhältnis
Zwiebeln: dieses knurpselige Fertigmodell kennen wir aus Dänemark
Viskosität: angenehm schlonzig, dank der Zugabe einer Gemüsebrühe-Kochsahne-Mischung
Beilage: die rezent-würzigen Aromen schreien förmlich nach frischen Blattsalaten als Begleitung, doch das ist hier leider nicht drin
Zubereitungszeit: in Nullkommanichts
Abgang: macht gehörig Durst
Preis: 9,00 Euro ("Chef Tradition"), bzw. 10,00 Euro ("Chef Spezial", mit extra Käse Topping)
Bewertung: Ein überraschendes bayrisch-schweizerisches Joint Venture als gelungene Mogelpackung.

Lokalität: Culinar Schwiiz
(auf der Eat&Style Stuttgart 2023, Stand 8A22)
Breslauer Straße 10
89231 Neu-Ulm
Tel. +49 1522 2974949
E-Mail: CulinarSchwiiz@web.de

An den Ufern der Blau ****

 

 

 

 

 

 

 

 

Was dem Venezianer seine Gondel, entspricht in Ulm der Zille (nicht zu verwechseln mit dem Berliner Künstler  - auch wenn er in Ulm genügend Lokalkolorit gefunden hätte). Mit den flachen Booten ist in früheren Zeiten so mancher die Donau hinabgegondelt - in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Wobei man heutzutage im Ulmer Fischerviertel, an den malerischen Ufern der Blau, lieber ganz entspannt "Zur Zill" einkehren mag. Am besten an einem denkwürdigen Feiertag wie Allerheiligen (ja, heute ist es auch kalendarisch soweit!)

Menge: sättigt donauabwärts mindestens bis Passau
Spätzle: gedrungene, kompakte Knöpfle
Käse: die Dominanz des Allgäuer Bergkäses wird von weiteren Sorten geschmacklich abgerundet
Zwiebeln: knusprig frittierte authentische Röstzwiebeln
Viskosität: angenehm trocken und fest
Beilage: keine - doch ein extra Beilagensalat (für dezent überteuerte 5,80 Euro)  ist ein ernährungsphysiologisches Muss
Zubereitungszeit: knapp über eine Viertelstunde
Abgang: grummelig (dabei hätte es an einer ansprechenden Digestif-Auswahl nicht gemangelt)
Preis: 13,40 Euro (Kässpätzle) plus 5,80 Euro (Beilagensalat)
Bewertung: Dieses lukullische Meisterwerk trägt die Bezeichnung "Allgäuer Käsespätzle" nicht von ungefähr und kommt seinem Vorbild schon beträchtlich nahe: aromatisch, würzig, deftig, mit wohligem Gaumengefühl. Ein Lob der bescheiden auftretenden Köchin!

Lokalität: Zur Zill
Schwörhausgasse 19
89073 Ulm
Tel.: 0731-1517787
E-Mail: info@zur-zill.de

Nach Allerheiligen noch vor denselbigen ***

 

 

 

 

 

Zwei Wochen vor dem kalendarischen Allerheiligen zeigt das Thermometer noch hochsommerliche Temperaturen und verleitet zu einer verspäteten Wallfahrt ins gleichnamige Kloster, dessen Erstellung - der Legende nach - durch einen Esel bestimmt wurde, der genau an diesem Platz einen Geldsack abwarf. Welch gewinnversprechender Ort für eine Klosterschänke!

828 Jahre nach der Stiftsgründung sonnen sich Biker, Ranger und Wanderer in Trekkingklamotten vor der romantischen Kulisse der Klosterruine und verzehren ethisch vertretbare Pulled Pork Burger oder  biologisch-dynamisches Dinkelrisotto. Wir bleiben beim Altbewährten!

Menge: eine Riesenportion für darbende Mönche in der Fastenzeit
Spätzle: hausgemacht
Käse: Bergkäse pur
Zwiebeln: Röstzwiebelknurpsel obendrauf
Viskosität: luftig-lätschig unter einer knusprig-krossen Decke
Beilage: der leichte Beilagensalat überrascht durch Brokkoli- und Gemüsereste unter grünen Blättern und Möhrenstreifen
Zubereitungszeit: 20 Minuten
Abgang: beschwerlich wie der Abstieg zu den Wasserfällen
Preis: 18,50 Euro inklusive Beilagensalat (und dafür braucht es keinen Esel)
Bewertung: Heiliger Bimbam: welch malerischer Ort, welch exquisite Speisen. Wären die Kässpätzle nicht lauwarm und mit etwas mehr Biss serviert worden, hätte ich mich zu einem Halleluja hinreißen lassen.

Lokalität: Kloster Allerheiligen
Allerheiligen 6
77728 Oppenau
Tel.: +49 (0)7804 1200
E-Mail: info@kloster-allerheilgen.de

Garbe - oder wie sie die Welt sah ****

 

 

 

 

 

In manche Aussenbezirke Stuttgarts verschlägt es einen jahrjahrzehntelang nicht - und Schuld daran ist nicht nur der abtörnende Schienenersatzverkehr (derzeit zwischen Landhaus und Plieningen). So konnte die altehrwürdige Garbe von uns unbemerkt einen Sprung vom gediegenen Ausflugslokal zum Restaurant gehobener Preisklasse vollziehen. Die räumliche Nähe zur Universität Hohenheim, der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart und den Kelley Barracks sorgt für zahlungskräftige und trinkfreudige Klientel.

Menge: die kleine Portion reicht vollkommen aus
Spätzle: mit Karotten und Apfelessig (!) versetzt
Käse: kräftiger Bergkäse unterm Spätzlekonglomerat; italienischer Parmesan locker darüber gestreut
Zwiebeln: diese Röstzwiebeln verdienen den schwäbischen Innovationspreis: mit unbekannten Ingredienzien angereichert, die der krossen Köstlichkeit etwas ungemein Süsslich-Fruchtiges verleihen
Viskosität: von cremiger Elastizität
Beilage: leider, leider keine - wir bestellen selbstverständlich einen Beilagensalat dazu (ultrafrisch, mit feinen Blattsalaten und mikroskopisch geraspelten Zucchini- und Rettichstiftelchen, in einer köstlich senfigen Salatsauce)
Zubereitungszeit: etwas zwischen einer Viertelstunde und 20 Minuten
Abgang: wohlig wonnig
Preis: 11,90 Euro (kleine Portion), bzw. 16,00 Euro (normale Portion) für die Kässpätzle + 7,00 Euro für den Beilagensalat
Bewertung: Selbst in der abgespeckten Version streift dieses Gericht schon gefährlich die 20-Euro-Marke. Doch die kreative Küche kitzelt vielfältige Geschmacksnuancen heraus, die wir staunend am Gaumen zergehen lassen. Und: so aufmerksam und zugewandt wie hier wird man selten bedient. 

Lokalität: Wirtshaus Garbe
Filderhauptstraße 136
70599 Stuttgart - Plieningen
Tel.  +49 (0) 711 342 118-0
E-Mail: info@wirtshausgarbe.de

Der Berg ruft ***

 

 

Der Höhenpark Killesberg ist auch nach fast 85jährigem Bestehen immer noch ein Gipfeltreffen wert. Doch während nur wenige Meter entfernt das Dinner in the Sky genügend Nervenkitzel für Agrophobiker und gelangweilte Neureiche bietet, reicht uns ein kostenloser Aufstieg zum 42 Meter hohen Killesbergturm mit nachfolgender Stärkung im exponiert gelegenen Höhencafé (das sich in Wirklichkeit als ausgewachsenes Restaurant mit schwäbischen Spezialitäten entpuppt).

Malerisch schwebt die Aussenterrasse über dem berühmten Tal der Rosen, huschen die Eidechsen über die sonnigen Trockenmauern. Stimmungsvoller könnte ein Septemberausflug kaum begangen werden.

Menge: die kleine Portion besitzt eher die Anmutung von Tapas und wird in einem niedlichen Beilagenschälchen serviert
Spätzle: wir tippen auf Hausmacherware
Käse: reiner Emmentaler
Zwiebeln: hmmm, seeeehr viel geschmelzte Zwiebelstreifen
Viskosität: beachtliche Fäden ziehend
Beilage: dieser frisch angerichtete Beilagensalat toppt noch das Volumen der Spätzle
Zubereitungszeit: trotz Full House auf der Terrasse lediglich 18 Minuten
Abgang: federleicht
Preis: 12,50 Euro (kleine Portion) bzw. 14,50 Eruo (normale Portion) inklusive Beilagensalat
Bewertung: Eine kleine Portion ist hier eindeutig die falsche Wahl und reichlich überteuert. Doch die traumhafte Kulisse und der flotte Service wischen alle Zweifel vom Tisch.

Lokalität: Höhencafé Killesberg
Thomastr. 101/Höhenpark
70192 Stuttgart
Tel.: +49 (0) 711 2560520
E-Mail: info@hoehencafe.de

Rückkehr in die Rentnermensa **

 

 

 

 

 

 

 

 

Times they are a-changin. Wer hätte sich nach dem Gamerdinger´schen Abgesang vor 13 Jahren schon träumen lassen, dass das umbenannte und an austriakische Betreiber verhökerte Möbelhaus allen Zeitläuften trotzt und tapfer die Speisung der Zehntausend aufrecht erhält. Auch wenn die anachronistisch anmutenden Rabattmarken inzwischen zum App-Ersatz mobilfunkloser Rentner (vulgo: Pensionisten) mutierten und der Preis meiner Leibspeise sich verzehnfacht hat.

Menge: maximal weit von XXXL entfernt
Spätzle: einfallslose Fertigware, vermutlich mit Ursprung im Hause Settele
Käse: analogue is the future
Zwiebeln: steinharte Fertigschnipsel
Viskosität: kompakte Zähigkeit
Beilage: keine - und der extra dazu georderte frugale Beilagensalat weist nicht im Entferntesten Ähnlichkeiten mit der üppigen Illustration auf der Rabattmarke auf
Zubereitungszeit: wundersame 5 Minuten
Abgang: da ist noch Luft nach oben
Preis: 8,90 Euro (Kässpätzle) plus 4,20 Euro (Beilagensalat), bzw. 2,90 Euro (Beilagensalat für Rabattmarkenbesitzer)
Bewertung: Wer hier speist, könnte an geriartrischer Dyskalkulie leiden. So ist auch die großzügige Punktevergabe allein meiner Altersmilde zuzuschreiben. Denn andernorts erhält man für´s gleiche Geld deutlich mehr Qualität, Menge und Service.

Lokalität: XXXL Lutz Restaurant
BDSK Handels GmbH & Co. KG
Otto-Lilienthalstr. 8-16
71034 Böblingen
Tel. 030/25549252280
E-Mail: restaurant.bg@xxxlutz.de

Panta rhei ****

 

 

 

 

 

 

 

 

Ganz entgegen des bekannten Heraklit-Ausspruchs "Man kann nie zweimal in denselben Fluss steigen", empfiehlt sich ein Eintauchen in die Stuttgarter Tauberquelle durchaus mehrfach.  Zumal unser letzter Besuch auch schon 4 Jahre, eine weltumspannende Pandemie, aber nur 3 Euro Kässpätzles-Teuerungsrate zurückliegt.

Dabei rangieren die heutigen Kässpätzle eher als vegetarisches Beiwerk zum eigentlichen Rehragout-Geburtstagsessen samt nachfolgendem cineastischen Rendezvous unserer geschätzten Freundin S. (der Autorin Rita Falk sei ganz nebenbei gedankt für ihre beharrliche Fortsetzung der beliebten Eberhofer-Krimis, deren Verfilmung uns ein jährliches Highlight mehr beschert)

Menge: eine gehörige Portion
Spätzle: mit Muskelkraft handgedrückt
Käse: Emmentaler, meint der jugendliche Ober / mit Bergkäse und Edamer, ergänzt die Patronin
Zwiebeln: leider nur ein Minimum an geschmälzten Zwiebelstreifen
Viskosität: lätschig und lommelig
Beilage: ein rucolabasierter Beilagensalat, unter dem sich noch Kartoffelsalat, Gurkenscheiben, Weisskraut- und Möhrenstreifen verbergen
Zubereitungszeit: trotz proppevollem Biergarten und Gastraum in angemessener Zeit
Abgang: die wohlige Sättigung erfordert nicht mal einen Digestif (hatten wir doch einen fantastischen Lupo di Meraviglia Tre di Tre als Speisenbegleiter)
Preis: 14,90 Euro (inklusive Beilagensalat)
Bewertung: Ein Widerspruch der landläufigen Meinung auch hier: nicht alles wird schlechter. Die Kässpätzle in der Tauberquelle verbessern sich Jahr fürs Jahr.

Lokalität: Restaurant Tauberquelle
Torstraße 19
70173 Stuttgart
Tel.: +49 (0) 711 5532933
E-Mail: info@tauberquelle-stuttgart.de

Neues Spiel, neues Glück ****

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zu den Konstanten unserer geschätzten Spätzledestinationen zählen von jeher solide Golfclubs zwischen Schwäbischem Wald und Schönbuch. Wobei schon mal eine Dekade zwischen den Besuchen liegen kann. Unsere Handicaps haben sich nicht verbessert und die Platzreife steht in Frage - doch der Appetit flaut nicht ab!

Seit März des Jahres erfreut sich der Schaichhof eines neuen Pächtergespanns. Die kulinarische Salzburger Vergangenheit von Küchenchef und Service schlägt sich spürbar in der Speisekarte nieder. Aus bekannten Gründen verzichten wir auf Tafelspitzbrühe, Steirisches Backhendl und Österreichs Klassiker. Natürlich zugunsten unseres Leibgerichts.

Menge: eine ideale Portion
Spätzle: augenscheinlich und geschmacklich Hausmacherware
Käse: Appenzeller Bergkäse (...und das gewisse Etwas, wie der Ober spitzbübisch scherzt)
Zwiebeln: ein krosses, knackiges, reichhaltiges Topping, an dem nicht gespart wurde
Viskosität: trocken und griffig
Beilage: unsere anregende Bitte vor 13 Jahren wurde etliche Pächtergenerationen später aufs Wunderbarste umgesetzt: allein dieser bunte Beilagensalat mit hauchfein gehobelten Gurken- und Rettichscheiben verdient die volle Anerkennung
Zubereitungszeit: so kurz, dass wir kaum den beeindruckenden Schönbuchblick genießen können
Abgang: trotz feiner Sättigung vollkommen beschwerdefrei
Preis: für das Gesamtarrangement geradezu günstig anmutende 12,90 Euro (inkl. Beilagensalat)
Bewertung: Alles braucht seine Zeit - auch die Umsetzung unserer Wünsche. Auf die Frage, wie wir zur Verstetigung des jetzigen golf-gastro-optimalen Zustands beitragen können, antwortet der Ober schlicht: Wiederkommen.

Lokalität: GC Schönbuch
Restaurant am Golfplatz
Inhaber: Bernd Gürtler und Benjamin Stretz
Schaichhof 1
71088 Holzgerlingen
Tel. 07157/66188
E-Mail: reservierung@gcs-gastro.de

Ausgemerzt **

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wer von Gleis 16 des Stuttgarter Hauptbahnhofs (oder was von selbigem übrigblieb) einem der zahlreichen Umleitungsschilder über die verwirrend geschwungenen Rampen gen Innenstadt folgt, muss aufpassen, nach einem veritablen Fußmarsch nicht geradewegs in eines der Fleischtöpfe des hiesigen Biergartens zu plumpsen.  Zwischen den rudimentären Resten des ehemaligen Lusthauses und den fragmentarischen Anmutungen eines Erholungsparks prangt hier eine kulinarische Vergnügungsmeile, die sich gefühlt nicht allzu weit von der legendären mallorquinischen Schinkenstrasse entfernt zeigt. Für Stimmung sorgt nicht zuletzt die Schirmherrin, Chefin und Volksfestzeltbetreiberin Sonja Merz. 

Menge: anständig
Spätzle: vorfabriziert und in mächtigen Metalltrögen bevorratet
Käse: wir entdecken keinen Servicemitarbeiter mit entsprechender Expertise und Sprachkenntnissen, den wir befragen könnten
Zwiebeln: ein Hauch von Zwiebelschmelz
Viskosität: furztrocken, wie der Schwabe sagen würde
Beilage: keine, doch der extra dazu gebuchte kleine Beilagensalat erweist sich mit Gurkenscheiben, Tomatenachteln, gestiftelten Möhren und Blaukraut, sowieso ultrascharfen roten Zwiebeln als überraschend vielseitig
Zubereitungszeit: unbekannt (immerhin landet die Portion innerhalb von sensationellen 5 Minuten vom Warmhaltetrog auf dem Teller)
Abgang: grummelig
Preis: 8,50 Euro plus 3,50 Euro für den Beilagensalat
Bewertung: Dass sich Kässpätzle definitiv nicht zum Vorkochen und Warmhalten eignen, haben wir bereits in Reha-Kliniken, öffentlichen Einrichtungen und Pflegeheimen misslich erfahren müssen. Einen Anstandspunkt vergeben wir trotzdem für das sommerliche Ambiente und die kurzen Wartezeiten.

Lokalität: Biergarten im Schlossgarten
Am Schlossgarten 18
70173 Stuttgart
Tel.  0711/ 2261274
E-Mail: info@biergarten-schlossgarten.de

Ritt über das Spätzlebrett ***

 

 

 

 

 

 

 

Während sich andernorts traditionelle Landgasthöfe wie "Adler", "Post" und "Traube" verzweifelt in hippe Szenelokale zu verwandeln versuchen, findet hier der Transformationsprozess einmal umgekehrt statt. Das ehemals eher glücklose "Hola Mexicana" besinnt sich mit den neuen Pächtern auf lokale schwäbische Küche und firmiert unterm rustikalen Reiterhof-Ambiente sehr sinnfällig als "Rössle". Keine schlechte Idee: Rostbraten und saure Nierle für alle Cowboys der Region.

Menge: üppig, wahlweise auch mit Speck aufgepimpt
Spätzle: voluminös, im Stile breiter Nudeln
Käse: mit dem Edamer wurde wirklich nicht gespart
Zwiebeln: eine Riesenportion schön lätschig angeschmelzter Zwiebelstreifen
Viskosität: erzeugt ein vage an Pfannkuchen erinnerndes flaumiges Gaumengefühl
Beilage: der solide ausgeführte Beilagensalat könnte mehr Pepp vertragen
Zubereitungszeit: gefühlte 15 Minuten
Abgang: der Sättigungsschock und ein mangelnder Verdauungsschnaps reissen uns förmlich vom Sattel
Preis: in Inflationszeiten überraschend günstige 9,50 Euro (inklusive Beilagensalat)
Bewertung:  Auch wenn ich die Spätzle krosser und knackiger bevorzuge, versöhnt die Wiederbelebung regionaler Küche, der engagierte Service, die Holzterrasse überm Hippodrom.

Lokalität: Restaurant Rössle
Tiergartenstr. 4
71032 Böblingen
Tel. +491747298473
E-Mail: restaurantroesslebb@gmail.com

Spätzle überm Mühlkanal ***

 

Wie ein Floß treibt das Café Reinhardt überm Horber Mühlkanal. Vom Gastraum blickt man auf den Nebenarm des Neckars und fühlt sich irgendwo zwischen Klein-Venedig und den Grachten Amsterdams. Man ahnt, dass einst von hier aus das Holz des Schwarzwalds bis nach Holland geschippert wurde. 

Trotz maritimer Gefühle erdet der bodenständige Mittagstisch ganz enorm. Dass alles in einer winzigen Kombüse hinter der Theke gebrutzelt und dann sehr adrett in der Offiziersmesse angerichtet wird, verlangt uns große Hochachtung ab.

Menge: der tiefe Teller hat es in sich
Spätzle: Fertigware unbekannter Provenienz
Käse: ein Gouda-Emmentaler-Mix, wie uns Smutje versichert
Zwiebeln: mit oder ohne? Der Gast hat die freie Wahl!
Viskosität: cremig-kompakt
Beilage: knackige Blattsalate im Einmachgläsle
Zubereitungszeit: just in time
Abgang: leicht, unbeschwert und dennoch sättigend
Preis: 9,20 Euro (mit Beilagensalat)
Bewertung: Solides, habhaftes Mittagsangebot in liebevoll arrangiertem Ambiente mit einzigartigem Ausblick.

Lokalität: Café Reinhardt
Schillerstraße 14
72160 Horb am Neckar
Tel. 07451/900090

Sophie ohne Biss *

 

 

 

 

 

 

 

Sollte sich 2023 zum Jahr der Stuttgarter Brau- und Wirtshäuser entwickeln? Wenngleich mit einem gewissen Abwärtstrend: nach euphorischer Überraschung und nachfolgender Ernüchterung folgt heute der totale Reinfall. Doch wer musste als Patin herhalten für dieses Brauhaus mit der falschen Genitivkennzeichnung, die im Volksmund gerne Deppen-Apostroph genannt wird? Die unglückliche Prinzessin von Württemberg? Die letzte der fünf Eisheiligen? Der Straßenname vor der Haustüre?

Wenig einladend gestaltet sich bereits der Aufstieg über ein abgewirtschaftetes Treppenhaus. Wäre ich bloß im Döner Imbiss im Erdgeschoss eingekehrt.

Menge: mangelnde Qualität lässt mich schon nach wenigen Bissen das Besteck zur Seite legen
Spätzle: weitgehend zerkocht und geschmacksneutral
Käse: ein Mix aus allen Käsesorten, die dem Kellner spontan in den Sinn kommen
Zwiebeln: womöglich der gelungenste Bestandteil dieses Arrangements
Viskosität: von schlüpfriger Konsistenz
Beilage: sonntags ist Selbstbedienung an einem Salatbüffet angesagt, das sich hoffentlich nicht aus den Resten der Vorwoche zusammensetzt
Zubereitungszeit: superkurz - habe ich das Bimmeln der Mikrowelle überhört?
Abgang: mulmig
Preis: 12,90 Euro (inklusive Beilagensalat)
Bewertung: Ambitions-, geschmack- und lieblose Varianten dieser Art erschüttern mein schwäbisches Selbstverständnis in seinen Grundfesten.

Lokalität: Sophie´s Brauhaus
Marienstraße 28
70178 Stuttgart
Telefon: +49 (0) 711 610962
E-Mail: sophies-brauhaus@web.de

Barfuß im Regen ***

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Man hätte es ahnen können: allein schon die Bezeichnung Brauhaus suggeriert uns Halligalli, unfreiwillige Zwangsverbrüderung und Bier in Strömen. Doch ein sacht einsetzender Regen im ostersamstäglichen Ulm treibt uns nach ausgiebigen Museumsbesuchen in die nahe Gastronomie, die zudem "bayrisch-schwäbische Hausmannskost" verspricht. Da dürften Kässpätzle nicht weit sein!

Allein der Wunsch nach einem ruhigen Eckchen zaubert dem Türsteher und Platzanweiser ein ironisches Lächeln ins Gesicht. Immerhin beschert uns ein No-show einen überraschenden Tisch am Fenster mit Blick auf das städtische Treiben.

Menge: Sonderpunkte für die hübsche Darreichungsform in zwei glasierten Schälchen auf einem Holztragerl
Spätzle: kurzkettige Fertigmodule
Käse: kräftige Fäden ziehender Bergkäse
Zwiebeln: kompottartig über die Spätzle hingeflanscht
Viskosität: suppig-breiig
Beilage: ein bunt gemischter und sehr frischer grüner Salat mit Alibi-Kirschtomate
Zubereitungszeit: 15 Minuten
Abgang: leicht grummelnd
Preis: 14,90 Euro (inklusive Beilagensalat)
Bewertung: Welch Anmaßung, diese schlonzige Variation "Original Allgäuer Kässpätzle" zu taufen. Das dürfte man nicht in Kempten oder Oberstaufen petzen. Lediglich der bemühte Service und das adrette Ambiente versöhnen die enttäuschte Spätzialistin.

Lokalität: Barfüßer Hausbrauerei
Neue Str. 87-89
89073 Ulm
Tel. 07 31 / 60 26 56 15

Dohoggeddiaemmerno ***

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Seit Jahrzehnten gilt das Mauganeschtle als verlässlicher Garant für authentisch schwäbische Kulinarik mit besonderem Wow-Effekt für alle auswärtigen Gäste. Nach Jahren der schmerzlichen Abwesenheit nutzen wir die Erneuerung unserer schwäbisch-niederrheinischen Verbrüderung für ein gemeinsames Essen. Seit unserem letzten Besuch vor 7 Jahren hat sich einiges verändert: internationale und interkulturelle Tendenzen  haben nicht nur für eine Erweiterung der Speisekarte (jetzt mit Kroketten von der roten Linse oder Trüffel in den Maultaschen), sondern auch der Küchencrew gesorgt. Dem asiatischen Koch sind sicherlich nicht nur neue gastronomische Impulse, sondern wohl auch mehr Übersichtlichkeit auf dem Maultaschenteller zuzuschreiben. Nur mein Leibgericht sieht aus wie eh und je.

Menge: gerade richtig
Spätzle: hausgemachte Butterspätzle
Käse: eine sehr herzhafte Trilogie, aus der wir Emmentaler und Bergkäse herauszuschmecken glauben
Zwiebeln: leider nur ein winziger Hauch zart geschmelzter Zwiebelstreifen
Viskosität: die monierte Schlonzigkeit früherer Jahre ist einer distinguierten Trockenheit gewichen
Beilage: auch hier hatte mein Flehen Erfolg: ein frischer, knackiger Beilagensalat ist nun fester Bestandteil des Arrangements
Zubereitungszeit: gefühlte 15 Minuten
Abgang: der Digestif aus dem Hause Theurer wäre nicht nötig gewesen
Preis: 14,50 Euro (inklusive Beilagensalat)
Bewertung: Wohlschmeckende, herzhafte, rezente Kässpätzle mit herzerwärmenden Ausblick auf meine nächtlich illuminierte Geburtsstadt.  Einziger Wermutstropfen: in der 2020 zum Wintergarten umgebauten oberen Terrasse leiden wir während unseres Besuches unter tropische Temperaturen und einer erheblichen Geräuschkulisse.

Lokalität: Restaurant Mauganeschtle
Burgsteige 18
72070 Tübingen
Tel. 07071-9294-0
E-Mail: info@mauganeschtle.de

Schlag auf Schlag **

 

 

 

 

 

 

 

Es muss nicht immer ein Barockpalais sein. Das Wirtshaus Lautenschlager residiert in einem denkmalgeschützten Prachtbau in allerbester 1a-Lage in der titelgebenden Hauptstraße, die nach Stuttgarts erstem OB benannt ist. Wer hier jedoch authentische Küche vermutet, liegt eher falsch. Während die Homepage eine "moderne Interpretation" und "zeitgenössische Umsetzung von Tradition" anpreist, dürfte der erwartungsfrohe Spätzleschwoab ziemlich enttäuscht werden. Auch wenn das stilvolle Interieur und die herzliche Bedienung durchaus positive Beachtung verdienen.

Menge: die auf Anfrage mögliche kleine Portion reicht vollkommen
Spätzle: "Wir beziehen alles von Transgourmet", verrät das Servicemädchen offenherzig
Käse: laut Auskunft ein Emmentaler-Bergkäse-Mix im Verhältnis 2/3 zu 1/3 (obwohl auf der Karte noch ein Gouda erwähnt ist)
Zwiebeln: erinnern fatal an Frit-Sticks ungarische Art
Viskosität: mehlig-trocken
Beilage: der extra dazu bestellte Beilagensalat (für stolze 5,30 Euro) hebt durch frische Blattsalate und ein leichtes Joghurtdressing das Geschmackserlebnis ungemein
Zubereitungszeit: zu kurz, um wahr zu sein
Abgang: rumpelig
Preis: 10,90 Euro (normale Portion)/ 8,10 Euro (kleine Portion) plus 5,30 Euro (Beilagensalat)
Bewertung: Es gehört schon einiges dazu, Fertigspätzle mit nahezu ungenießbaren Zwiebelkrustis in einem derart durchgestylten Ambiente von einem überwältigend freundlichen Serviceteam servieren zu lassen. 

Lokalität: Wirtshaus Lautenschlager
Lautenschlagerstraße 24
70173 Stuttgart
Tel. Tel: 0711 252 412 60
E-Mail:  stuttgart@wirtshaus-lautenschlager.de

Deftiges im Barockpalais *****

 

 

 

 

 

 

 

 

Auch wenn das Münchner Spatzl am Platzl einen unrühmlich gewordenen Nachbarn verloren hat, ist am Stuttgarter alten Postplatzl noch alles in bester Ordnung. Seit Urzeiten lockt das Paulaner (im 1747 für den Freiherrn von Gültlingen erbauten Barockpalais) mit deftigen Leckereien zwischen Sauren Kutteln, Schweinsbraten und Spätzle.

Sonntagmittags rollern hier die ortsansässigen Witwer mit mobilen Gehhilfen an ihren Stammplatz und löffeln schlürfend den Gaisburger Marsch aus bauchigen Suppenterrinen. So viel Lokalkolorit muss gewürdigt werden.

Menge: wer sich übernommen hat, bekommt die Reste fürsorglich, kostenlos und nachhaltig eingepackt
Spätzle: beeindruckende, an breite Nudeln erinnernde Hausmacherware
Käse: selten kommt ein Emmentaler so herzhaft und urwüchsig daher wie dieser
Zwiebeln: rösche, goldgelb frittierte Ringe thronen obenauf
Viskosität: ultraknusprige Salamander-Bräune glänzt über einer geschmeidigen Spätzlerahm-Sinfonie
Beilage: grüne Blattsalate in säurebetonter Vinaigrette und ein sensationeller Kartoffelsalat ganz comme il faut: sämig, schlonzig, ohne jeglichen Maggi-Unterton
Zubereitungszeit: die 25 Minuten Wartezeit haben sich gelohnt
Abgang: sättigt angenehm, bereitet jedoch keine Leibesschwere
Preis: sehr stolze 17,20 Euro (inklusive Beilagensalat)
Bewertung: Dass ich das noch mal erleben darf: Konsistenz, Textur und Geschmack verschmelzen zu einer perfekten Kässpätzle-Inszenierung ganz nach meinem Gusto.

Lokalität: Paulaner am alten Postplatz
Calwer Str. 45
70173 Stuttgart
Tel.: +49-711-224150
E-Mail: info@paulaner-stuttgart.de