Montag, 31. Oktober 2011

Berg- und Talfahrt **





























Einst genoss das Reustener Bergcafé geradezu Kultstatus. Unter der Ägide der früheren Patroninnen Marie und Sophie (verstorben 1997 und 2003) schnauften Heerscharen von Ausflüglern (gerne mit akademischem Hintergrund) den Ammerbucher Kirchberg hinauf, um dort oben - im holzgetäfelten, kachelofenbeheizten Gastraum oder auf der lauschigen Gartenterrasse - beste schwäbische Hausmannskost zu geniessen.

Nach dem Tod der sagenumwobenen Wirtinnen nahm die Griechin Ioanna Savidou das Zepter in die Hand, mit profunden Kenntnissen im Schwäbischen und im Spätzleschaben. Leider reichen diese Fertigkeiten nicht aus, um eine gastronomische Legende fortzuführen.

Menge: einen Teller voll
Spätzle:
von griechischer Hand selbstgemacht und kurz angebraten
Käse:
leider unbekannt
Zwiebeln:
kleine Fitzelchen, glasig angedünstet
Viskosität:
Käse und Spätzle liegen weitaus unbeteiligt nebeneinander, von einem kurzen fadenziehenden Tete-a-Tete abgesehen
Beilage:
auf unseren Wunsch hin: keine - allerdings war das Tellergericht so minimalistisch angerichtet, dass sogar auf jegliche Deko verzichtet wurde
Zubereitungszeit:
unverständlich lange 30 Minuten
Abgang:
unbemerkt
Preis:
stolze (eher unverschämte) 7,50 Euro ohne Beilage oder Dekoration

Bewertung:
Reine Nächstenliebe und melancholische Remineszenzen an bessere Zeiten verbieten es uns, hier eine Wertung im Minusbereich zu vergeben. Entweder war diese Kässpätzle-Variation ein Versehen - oder Ioanna Savidou ruht sich etwas zu selbstvergessen auf dem hervorragenden Ruf dieses legendären Lokals aus. Uns kommen die Tränen, wenn wir an frühere Besuche denken. Eine solch beschämende Talfahrt hat das Bergcafé nicht verdient.

PS. Zumindest dem Anschein nach immer noch einen Hingucker wert: die selbstgemachten Kuchen und Süßspeisen.


Lokalität: Bergcafé Reusten
Am Kirchberg 14
72119 Ammerbuch-Reusten
Telefon: 07073/ 7252

Samstag, 15. Oktober 2011

Spätzle im Neschtle ****





























In unserer Reihe "Die skurrilsten Spätzle-Destinationen Deutschlands" besuchen wir heute das Krabba-Nescht in der Calwer Provinz. Für interessierte Nicht-Schwaben: nein, dieses Lokal hat weder Shrimps, noch Lachs, noch Krabben im Angebot - auch Otfried Preußlers Jugendroman stand hier nicht Pate.

Doch lassen wir den stolzen Hausherrn Walter Seeger auf seiner Homepage zu Wort kommen:
"Aus einer ungewöhnlichen Idee wurde eine außergewöhnlichen Lokalität. Durch viel Liebe zum Detail und Zusammentragen vieler landwirtschaftlichen Geräte und Kleinode" entstand rustikale Erlebnisgastronomie auf 400qm. Rund um einen (leider nicht mehr vitalen) Birnbaum ranken sich die außergewöhnlichsten Sitzgelegenheiten auf mehreren Ebenen.

Erdrückt vom Überangebot an Wagenrädern, Holzfässern, Mehlsäcken und Mostkrügen flüchten wir in ein umgebautes Bauernbett auf der Galerie. Zwischen Puppenwagen und Bettpfanne findet auch noch Hund Jim Platz. Und nach vergeblichem Warten entdecken wir endlich die im Starenkasten an der Wand versteckte Klingel zum Rufen der Bedienung!


Menge: ausladend
Spätzle:
Fertigware unbekannter Herkunft
Käse:
(fast) wie immer: Emmentaler
Zwiebeln: großzügig geschmälzt
Viskosität:
sahnig-cremig
Beilage:
leider keine - ein gemischter kleiner Beilagensalat ist empfehlenswert (Blattsalate, Kartoffelsalat, Alibi-Gurkenscheibe, Alibi-Tomatenachtel, Rettich)
Zubereitungszeit: 25 Minuten bei vollem Haus
Abgang:
etwas rumpelnd
Preis:
sehr günstige 5,20 Euro - wir empfehlen zusätzlich einen kleinen gemischten Salat für 2,90 Euro
Bewertung:
Dieses Ambiente ist nicht zu toppen! Wer keine ausgewiesene Holzallergie hat, muss hier unweigerlich ins Staunen kommen. Ebenfalls erwähnenswert sind die moderaten Preise und die regionalen Besonderheiten aus dem angegliederten Blackwood-Keller. Ranger, spannt die Pferde an!


Lokalität:
Krabba-Nescht Inhaber: Walter Seeger
Bannstraße 1
75365 Calw-Holzbronn
Telefon: 0 70 53 - 96 71 80
Telefax:
0 70 53 - 31 81

Sonntag, 9. Oktober 2011

Ergonomisch geschabt ****





























Andreas Reichles Vita ist von gastronomischen Highlights geprägt: der baden-württembergische Meister im Spätzleschaben anno 2007 hat einst seine Prüfung bei Harald Wohlfahrt in der Traube Tonbach abgelegt. So viel Adel verpflichtet natürlich!

Nach Wanderjahren durch renommierte Restaurants ist Andi im Kurort Bad Herrenalb gestrandet. Ob ihn die Nähe zu Rheumatikern und Arthrosekranken zur Erfindung des ergonomischen Spätzlebretts inspiriert hat? Die Speisekarte weist zahlreiche herzhafte badisch-schwäbische Speisen aus (Hirschragout mir Preiselbeeren, Markklößchensuppe), wobei der Meister am Spätzlesbrett vor allem mit seinen prämierten Kässpätzle wirbt.

Andis Spätzlestube glänzt - gelinde ausgedrückt - mit einem urigen Ambiente: seeeehr viel Holz, Schnitzereien und museale Haushaltsgegenstände. Dem Appetit ist das auf jeden Fall nicht abträglich.

Menge: kolossal (lasse mir zwei Drittel davon einpacken)
Spätzle: fluffig und von Eiern dominiert - ein wahres Wunderwerk von Meister Andi
Käse: Emmentaler mit sehr würziger Note
Zwiebeln: feucht, rezent, kräftig angeschmälzt
Viskosität: innen super-sahning-soft, aussen mit herrlich krosser Kruste
Beilage: ein kleiner, aber vorzüglicher, vor allem sehr frischer Beilagensalat: sehr fein geriebener roter und weisser Rettich, Kraut, Möhre, leicht musiger Kartoffelsalat
Zubereitungszeit: kurze 15 Minuten
Abgang: von durchschlagendem Erfolg
Preis: 9,50 Euro (inklusive leckerem Beilagensalat)
Bewertung: Absolut erstklassig und reichhaltig!! Die im gusseisernen Pfännle servierten Käsespätzle sind aromatisch und herzhaft gewürzt wie selten. Sonderbonus für die wahrlich skurrile Inneneinrichtung.

Lokalität: Andis Spätzlestube
Inhaber: Andreas Reichle

Ettlinger Str. 18/1

76332 Bad Herrenalb

Telefon: 07083 / 526565

E-mail: spaetzlestube@t-online.de



Samstag, 8. Oktober 2011

Rust never sleeps ***





























Gewinnen ist mein Lieblingshobby. Vor allem wenn es spätzlemäßig neue Horizonte eröffnet (siehe auch hier und hier). Dass mir die malerische Ortenaugemeinde Rust bei der diesjährigen CMT ausgerechnet den 1. Preis für den Europapark zulost, macht mir allerdings etwas Angst, sind doch Doppelloopings und Wildwasserrafting eher nicht so mein Ding.

Um so überraschender, dass mir ein Tag im perfekt inszenierten Paralleluniversum richtig Spass macht. Zwischen Megacoaster und Supersplash, zwischen Schweizer Bobbahn und Siverstone Piste, zwischen Island und Griechenland entwickle ich einen immensen Hunger. Kein Wunder bei diesem alle Sinne strapazierenden Overthrill.

Gottseidank lockt gleich gegenüber des Haupteingangs das schmucke "Restaurant am Park" mit bodenständigen Holzbänken und Weinranken. Es gibt doch noch ein echtes Leben im richtigen.


Menge: enorm
Spätzle: standardisierte und normierte von der Firma Bürger
Käse: reichhaltiger Emmentaler
Zwiebeln: eine unglaubliche Menge kross und würzig angerösteter (fast schwarzer) Zwiebeln
Viskosität: herrlich: Spätzle und Käse verschmelzen zu einer fast homogenen Masse
Beilage: bedauerlicherweise keine
Zubereitungszeit: nach der lange erwarteten Bestellung noch 15 Minuten
Abgang: massiv
Preis: 9,10 Euro (ohne Salat)
Bewertung: Das gemütliche Ambiente und der nächtliche Blick auf eine leuchtend blinkende Achterbahn verdienen eine lobende Erwähnung. Allerdings findet die Servicedame etwas zu selten den Weg ins Nebenzimmer.

Die Kässpätzle sind trotz der verwendeten Bürger-Fertigware erstaunlich wohlschmeckend. Das Fehlen eines Beilagensalats macht diesen Hauptgang allerdings etwas einseitig. Kleiner Trost: Wo wird das Rotweinschorle noch so formschön in einer Karaffe serviert?


Lokalität: Restaurant am Park
Austr. 1
77977 Rust
Telefon: 07822 / 44 49 00