Montag, 27. August 2012

Mit Adleraugen ***

















Vom Falken zum Adler - ein Tag im Zeichen des Greifvogels. Ein August-Sonntag auf der Landesblümchenschau erfordert vorzügliche Kondition und hohe Belastbarkeit. Noch nachmittags sind wir domestizierten Falken auf der Spur, doch schon am frühen Abend treibt uns ein Bärenhunger in die ortsansässigen Gastronomie.

Der Nagolder Gewerbeverein hat weder Mittel noch Wege gescheut, um Tagestouristen zu längerem Bleiben zu verleiten. Nach dem kürzlichen Kässpätzle-Mittagssnack steht uns heute der Sinn nach gehobener Kulinarik.

Malerisch lehnen sich die Mauern des altehrwürdigen "Adlers" an die Grenzen des Gartenschaugeländes. Bereits beim Eintreten breitet das Wappentier seine Flügel auf dem rot-grünen Teppich aus. Trotz vollem Haus ergattern wir noch den letzten freien Tisch zwischen gepflegt feiernden Großfamilien. Ausladende Teller mit minimalistischen Speisen signalisieren: hier ist die Haute Cuisine zu Hause.


Menge: auf den ersten Blick: überschaubar
Spätzle: fein, wohlgeformt, hausgemacht
Käse: Lindenberger
Zwiebeln: einige sparsame Streifen würzig geschmälzter frischer Zwiebeln
Viskosität: kompakte, relativ feste Spätzlemasse, die gepflegte Fäden zieht
Beilage: ein laut Karte "großer Beilagensalat" erfreut mit Blattsalaten, geraspelter Gurke, Rettich und Möhre, sowie würzigen Paprikastreifen und einigen Kressestengelchen - leider etwas zu sehr vom abgestandenen Dressing beschwert
Zubereitungszeit: 40 lange Minuten (bei vollem Haus)
Abgang: etwas ziepend
Preis: mit 11,80 (inklusive Beilagensalat) eindeutig im oberen Preissegment liegend
Bewertung: Abgesehen von der strapaziösen Wartezeit, die auch dem Beilagensalat nicht gut getan hat, nähern sich die Käsespätzle der angestrebten Top-Form: kompakt, ohne sahnige Schwere, jedoch mit leicht buttrigem Unterton und fein überbackener Oberfläche. 

Lokalität: Hotel Restaurant Adler
Familie Stikel
Badgasse 1
D-72202 Nagold
Telefon +49 (0)7452 86900-0
Telefax +49 (0)7452 86900-200
E-Mail info@hotel-adler-nagold.de
 

Freitag, 24. August 2012

Ein Schnäpsle nach dem Spätzle ***
















Warum in die Ferne schweifen - wenn in heimatlichen Jagdgründen lohnenswerte  Wiederentdeckungen locken? Von mir gänzlich unbemerkt, wird der Böblinger Platzhirsch seit gut anderthalb Jahren personell und inhaltlich neu bespielt, jedoch vor der altbekannten, ironische Rustikalität zitierenden Kulisse. Grund genug für ein Testessen 2.0 mit veränderten Vorzeichen.

Aus ihrem Vorgängerlokal "Viola" in Sindelfingen, hat das Betreiberpaar Baur den Hang zu exquisiten Interprationen einheimischer Speisen mitgebracht. Das schätzen auch ausländische Gäste, die in Bewertungsportalen gerne über die "yummy local cuisine" jublieren. Natürlich fällt unsere Wahl auf der teilweise zweisprachigen Speisekarte auch heute auf die "Home-made Swabian noodles with roasted cheese and gently roasted onions".


Menge: großzügig
Spätzle: bauchige, etwas mehllastige Knöpfle
Käse: ein Mix aus 2/3 Lindenberger und 1/3 Vorarlberger
Zwiebeln: sehr fein gehackte, angeschmälzte Zwiebelwürfelchen als Topping
Viskosität: wunderbar Fäden ziehend
Beilage: ein Salatteller mit ausladenden Friseeblättern, Tomaten- und Radieschenscheiben, für Bitterstoffe sorgenden Chicoree- und Radicchiokomponenten, sowie einem leider zu trocken geratenen Kartoffelsalat (der weder dem Gusto meines westfälischen Mitessers, noch meiner schwäbischen Gosch, die mehr schlonzige Konsistenz erwartet, gefällt)
Zubereitungszeit: eine knappe Viertelstunde, die mit dem Servieren eines Brotkörbles rasch überbrückt wird
Abgang: unbeschwert
Preis: 8.90 Euro (inklusive Beilagensalat)
Bewertung: Reumütig wünschen wir uns die fein ziselierten Spätzle aus vergangenen Zeiten zurück. Auch die Konsistenz des Kartoffelsalats darf noch einmal überdacht werden. Ansonsten schätzen wir das Bemühen der Betreiber um kulinarische Finessen und den handfesten Rat der seeeehr charmanten Patronin zu einem "Schnäpsle nach den Spätzle".

Lokalität: Schönbuch Platzhirsch
Wioletta Baur-Kacperek
Restaurant Schönbuch Platzhirsch
Postplatz 5
71032 Böblingen
E-Mail: info@schoenbuch-platzhirsch.de

Montag, 6. August 2012

Hunger ist der beste Koch ***

















Vom Norden kommend, mit der Bahn in Singen umsteigend, schon erwartungsfroh auf den Bodensee hinfiebernd, ist Radolfzell die erste Stadt, in der man hinter den Gleisen zum ersten Mal silbrig glänzendes Wasser erblickt, garniert mit den weißen Dreiecken der Segelboote.

Wer in Radolfzell aussteigt, purzelt sofort auf die baumbestandene Strandpromenade mit einer Fülle an Touristen, Schwänen, Spatzen und - wenige Schritte weiter - auf das Molencafe.  Der Inhaber dieses stets gut frequentierten Lokals heisst sinnstiftend Hunger und beweist mit einer experimentellen Einrichtung irgendwo zwischen 70er-Jahre-Chic und esoterischen Accessoires immerhin Mut zum Ausgefallenen. Hier paart sich maritimes Ambiente mit Sinnsprüchen, einer gewissen Kruschteligkeit und einer aussergewöhnlichen Toilettengestaltung.

Menge: recht üppig
Spätzle: selbstgemachte vollmundige Knöpfle
Käse: eine herzhafte Mischung aus Emmentaler und Bergkäse
Zwiebeln: knusprig-kross
Viskosität: zäh
Beilage: auch hier - wie häufig am See - bedauerlicherweise kein Beilagensalat
Zubereitungszeit: etwa15 Minuten
Abgang: wohlig sättigend, jedoch keinesfalls blähend
Preis: 8,60 Euro (leider ohne Beilagensalat)
Bewertung: ein etwas gepflegteres Ambiente und weniger Experimente könnte diese Kässpätzle-Variante zu Bestnoten aufschwingen lassen. Für den nächsten Besuch wünschen wir uns auf jeden Fall einen Beilagensalat.

Lokalität: Molencafé
Inhaber: Jürgen Hunger
Karl-Wolf-Str. 5
78315 Radolfzell
Telefon: 0 77 32 / 5 69 37