Samstag, 23. April 2022

Zwischen Stechbeitel und Stemmeisen ****

 


 

 

 

 

 

 

 

 

Als Ph. Pfeiffer vor über 100 Jahren an diesem Ort eine florierende Schreinerei betrieb, war die Arche des Geschmacks noch nicht erfunden, sonst hätte er vermutlich eifrig daran gezimmert.  Neben indigenen hessischen Speisen wie Grie Soß oder Handkäs mit Musik werden hier heutzutage auch beliebte Spezialitäten anderer Gegenden serviert: Schweizer Raclette, schwäbische Spätzle oder ein leckeres Früh Kölsch.  Das ergibt ein erstaunlich harmonisches Crossover der herzhaften Regionalküche.

Wer zur abendlichen Primetime noch einen freien Platz an einem der Hobelbänke in der Werkstatt oder draußen im ehemaligen Holzlager ergattert, darf sich glücklich schätzen. Zum Fäustel oder zum Stemmeisen muss hier allerdings keiner mehr greifen.


Menge: eine ansehnliche Handwerkerportion
Spätzle: die obligatorische Frage nach dem Herstellungsmodus ersparen wir uns, obwohl die Teigwaren überzeugend authentisch wirken
Käse: während die wendige Servicedame irgendeinen Mix vermutet, glauben wir in den Tiefen einen Doppelrahmfrischkäse mit Meerrettichgeschmack herauszuahnen
Zwiebeln: die knurpselige Variante
Viskosität: etwas zu cremig
Beilage: standardmäßig keine - es empfiehlt sich ein bunter Beilagensalat mit hart gekochtem Ei
Zubereitungszeit: 1 geschlagene (aber gottseidank kurzweilige) Stunde, bis das gesamte Arrangement auf dem Tisch steht
Abgang: wer Blähungen befürchtet, kann auf eine beeindruckende Digestivauswahl zurückgreifen: geradezu Kultcharakter haben der rotschillernde Erdbeerschnaps oder das Mispelchen auf Calvados
Preis: 9,20 Euro (für die Käsespätzle) + 3,90 Euro (für den Beilagensalat)
Bewertung: Der hohe Originalitätsfaktor dieser einzigartigen Location und ein engagierter, sportlich ambitionierter Service machen die langen Wartezeiten eindeutig wieder wett.

Lokalität: Schreinerei Pfeiffer
Audenstraße 6
61348 Bad Homburg
Tel.: 06172/20168
E-Mail: info@schreinerei-badhomburg.de

Mittwoch, 20. April 2022

Zom Essa in dr Keller ganga ***

 


 

 

 

 

 

 

 


Man kreuze eine krude Mischung aus schwäbischen Altherrenweisheiten und englischen Wortneuschöpfungen, aus bürgerlichem 80er-Jahre-Ambiente und modernem Lichtdesign - fertig ist the ratskeller. Die hippste Location seit der Untertunnelung des Stuttgarter Rathauses. Nur Ewig-Gestrige werden dem verwinkelten, plüschigen, verhangen düsteren Vorgängerlokal hinterherweinen.

Menge: ohne zusätzlichen Beilagensalat etwas dürftig
Spätzle: von unterschiedlicher Dicke und Mehligkeit
Käse: die Karte sagt: Bergkäse / der Ober sagt: Emmentaler
Zwiebeln: diese spiraligen Kunstwerke sind ein echter Eye-Catcher
Viskosität: leicht cremig
Beilage: da keine vorgesehen sind, bestelle ich einen Beilagensalat extra: obwohl er als "eher grüner" Salat firmiert, besticht seine ausgewogene Farbenfreude
Zubereitungszeit: so kurz, dass es kaum für einen Toilettengang reicht
Abgang: sättigt nur bedingt
Preis: mit 17,20 Euro für das Gesamtarrangement (13,20 Euro + 4,00 Euro) ist die Schmerzgrenze fast schon überschritten
Bewertung: Anerkennung für die optisch ambitionierte Gestaltung der Speisen durch eine flinke, fingerfertige Küchenbrigade. Die Preisgestaltung sollte allerdings noch etwas überdacht werden.

Lokalität: the ratskeller
Marktplatz 1
70173 Stuttgart
Tel.: 0711/58535100
E-Mail: info@theratskeller.de

Sonntag, 3. April 2022

Spätzle im Holzfass ****




 

 

 

 

 

 

 

Nicht zu leugnen: die Pandemiezeit hat auch Positives hervorgebracht. Wie die heimeligen Holzfässer vor dem Ochs´n Willi, in denen man gut behütet, beheizt und belüftet ganz im eigenen Kreise speisen und vor sich hindümpeln kann. Ein sicherlich bleibender Renner - auch über den heutigen "Freedom Day" hinaus.

Die Gaststätte selbst frönt jedoch noch immer dem vergangenen Geist der Seventies. Vom orange-roten Retro-Schriftzug bis zum rustikalen Rauhputz über den Eckbänken. Das gefällt nicht nur den Silver Agern unter den Gästen. 

Menge: zusammen mit einem opulenten Salatteller nicht zu wuppen - das Gros muss eingepackt werden
Spätzle: grazil und fein ziseliert
Käse: eine geglückte Liaison aus Emmentaler und Gouda
Zwiebeln: reichlich, knusprig, würzig
Viskosität: ganz wie ich es mag: fluffig leicht unter kross gebräunter Oberfläche
Beilage: an einem beeindruckend meterlangen Büffet darf sich der Gast einen üppigen Salatteller nach eigenem Gusto zusammenstellen (der in meinem Falle schon als Mahlzeit für sich gelten kann)
Zubereitungszeit: die Küchenbrigade scheint im Akkord zu arbeiten!
Abgang: tadellos
Preis: 13,80 Euro (inklusive Salatteller) / 8,90 Euro solo
Bewertung: Hier kann man nicht nur Riesenhaxe mit Sauerkraut, sondern auch "was B´sonder´s". Extrapunkte für den wunderbar schlonzigen Kartoffelsalat aus der Sorte "Belana".

Lokalität: Ochs’n Willi
Kleiner Schlossplatz 4
70173 Stuttgart
Tel.: 0711/2265191
Email: info@ochsn-willi.de