Sonntag, 29. Mai 2016

Hey, Mr. Tambourine Man **

 
















Zugegeben: die Welt der windschiefen Vorzelte, der schmatzenden Adiletten und der hallenlangen Gemeinschaftsduschen ist doch nicht so die meinige. Aber um der allgegenwärtigen Wochenendtristesse zu entgehen, ist mir jedes Ausflugsangebot recht.

Gerade mal zwei Monate ist es her, dass das Ehepaar Tamburino die Gaststätte des lautmalerisch "Schüttehof" genannten Campingplatzes hoch über Horb übernommen hat. Wem der Sinn mal nicht nach überm Gaskocher erhitzten Ravioli steht, der kann hier eine gepflegte Pizza einnehmen, respektive einen Insalata Italiana (gerne für die Dame) oder einem rustikalen Schnitzel mit Fritten (gerne für den Herrn). Für schwäbisch sozialisierte Camper werden selbstverständlich auch Kässpätzle vorgehalten.

Menge: beachtliche Portion
Spätzle: bauchige, nach dem Abkühlen auch latent mehlig schmeckende Knöpfle
Käse: der Service meint: Edamer / mein Tipp lautet: Emmentaler (was auch andernorts gerne mal verwechselt wird)
Zwiebeln: Unmengen von ultrakrossen Röstzwiebeln (die laut Auskunft der Patronin bereits morgens hergestellt werden)
Viskosität: dicht
Beilage: ein sahniges Fertigdressing ertränkt eine Garnitur Fertig-Blattsalatmischung, umrundet von einem Rondell geschmacksneutraler Tomaten- und Gurkenscheiben
Zubereitungszeit: eine Viertelstunde
Abgang: grummelig und aufblähend
Preis: 7,90 Euro (inklusive Beilagensalat)
Bewertung: Es gibt eine ernstzunehmende Alternative zu Kässpätzle vom Grill!

Lokalität: Gaststätte Schüttehof
Schütteberg 7
72160 Horb
Telefon: 07451/6246600

Exkurs: Es steht ein Klo im Nirgendwo




















Man erlaube mir einen kleinen Schlenker vice versa. Denn was oben reinkommt, muss unten wieder raus. Und noch viel älter als die Idee zu diesem Blog ist meine anhaltende Affinität zu auswärtigen Toiletten. Denn wenn Reisen und Unterwegssein zu den Lieblingshobbies zählen, ist man unweigerlich den absonderlichsten Erlebnissen ausgesetzt. So hat sich schon ein gehöriger Erfahrungsschatz zwischen Null-Null-Notstand und malerischen Örtchen mit Aussicht angesammelt.

Da erscheint mir Luke Barclay als tatkräftiger Bruder im Geiste. Liebevoll präsentiert er ein "Best of" der "Loos with views" dieses Planeten. Eine kleine Typologie der Tiefsitzer, Urinale und Komposttoiletten mit Blick auf Häusermeere, Reisfelder oder Sanddünen. Dazu kann ich aus meinem kleinen Umfeld lediglich ein paar goldene Wasserhähne oder mondäne Glaslüster beitragen.

Menge: 40 Locations zwischen dem Alacatraz Wachttum in der Bucht von San Francisco und dem Kloster Samye in Tibet
Spätzle: spielen hier eher eine untergeordnete Rolle
Käse: kommt nur rudimentär vor
Zwiebeln: dito
Viskosität: 94 geschmeidige Seiten zwischen wohlgestaltetem, quadratischem Hardcover
Beilage: Zahlreiche Fotografien, schematisch-minimalistische Landkarten, solide Bildnachweise und eine komplette Kloliste - nebst Einleitung und Danksagung
Zubereitungszeit: 3 Jahre unseres Lebens verbringen wir durchschnittlich auf der Toilette
Abgang: eindrucksvoll, anregend, weltumspannend
Preis:12,00 Euro
Bewertung: Visuelle Inspirationsquelle für Weltreisende: griffig, kaum ein halbes Pfund schwer und absolut handgepäcktauglich. Prima als Klo-Lektüre für weniger aussichtsreiche Sitzungen geeignet.

Lokalität: Luke Barclay: Es steht ein Klo im Nirgendwo.
Frankfurt: Fischer, 2016.
94 Seiten. 12,00 Euro
ISBN: 978-3-596-03406-2

Mittwoch, 4. Mai 2016

Lichtenstein leuchtet ****

















Hoch überm Echaztal klebt das Märchenschloss Lichtenstein so fotogen an einem Felsen, dass man es glatt für eine virtuelle Inszenierung halten könnte - wenn es nicht ein neugotischer Nachbau wäre. Die Aufgaben des Alten Forsthauses nebenan wandelten sich zeitgemäß von der einstigen Wilderei-Bekämpfung bis zur heutigen Gastwirtschaft. Ganz nach unserem Gusto!

Wer nicht im großen Festsaal diniert, kann es sich im Kaminzimmer gemütlich machen, dessen Schiebetür an ein Eisenbahnabteil erinnert. Möge diese Reise nur nicht so schnell enden...

Menge: stattliche Riesenportion, in einer überdimensionierten Pfitzauf-Auflaufform serviert
Spätzle: selbstgemacht (keine Frage)
Käse: klassischer Emmentaler
Zwiebeln: ein Topping aus marmeladig angeschmälzten Zwiebelstreifen mit leicht süßlichem Aroma
Viskosität:  mit knusprig-kross überbackener Oberfläche - darunter sanft elastische Fäden ziehend
Beilage: der solide Beilagensalat unter leichtem Sahnedressing bietet grüne Blattsalate, zwei Tomatenscheiben, gehobelte Gurke, gestiftelte Möhren und Krautsalat in Streifen
Zubereitungszeit: 40 Minuten, die sich lohnen und in denen wir ausgiebig die berauschende Aussicht genießen
Abgang: zur Verdauung empfiehlt sich ein Engstinger Quittenbrand
Preis: 9,50 Euro (inkl. Beilagensalat)
Bewertung: Sowohl die riesigen Portionen (von denen glatt zwei Personen satt werden könnten) als auch der sensationell freundliche Service und der wundervolle Ausblick auf die Achalm und das Echaztal verdienen Bestnoten. Regionale und saisonale Speisen sind hier selbstverständlich!

Lokalität: Altes Forsthaus 
Schloss Lichtenstein 1
72805 Lichtenstein
Tel.: 07129/2440
E-Mail: info@altesforsthauslichtenstein.de

Montag, 2. Mai 2016

Schwarzwälder Schonkost ***

 
















Während oben auf dem Sommerberg die (noch) Sportiven den Baumwipfelpfad erklimmen oder downhill biken, schlurft man unten an der Enz eher am Rollator entlang. Der abendliche Hunger auf Deftiges führt alle zusammen.

Doch der rustikale Gewölbekeller und die zünftigen Lederhosen des Patrons täuschen: meine andernorts oft sahnige, schwer verdauliche Leibspeise kommt hier so soft und leicht daher, als ob sie direkt in der nahen Klinikküche dem Dampfgarer entwichen wäre. Beim späteren Warten auf den Ausdruck der Rechnung nicken wir fast schon sediert ein.


Menge: die kleine Portion reicht  - der standardmäßig vorgesehene Schinken wurde auf eigenen Wunsch  gestrichen
Spätzle: schlank und zartgliedrig, mit dünnen Schnittlauchröllchen garniert
Käse: gut verträglicher Emmentaler ohne nennenswerten Eigengeschmack
Zwiebeln: winzig fein geschnitten und gedämpft
Viskosität: bouillionartig, eher suppig
Beilage: ein Beilagensalat mit Tiefenwirkung: unterm leicht wässrigen Blattsalat verstecken sich kräftige Karottenstreifen, würziger Krautsalat und aromatischer Fenchel. Danke, dass man uns das übliche Alibi-Tomatenachtel erspart hat!
Zubereitungszeit: 25 Minuten
Abgang: schlaffördernd und beruhigend
Preis: 8,80 Euro (inkl. Beilagensalat) für die kleine und 11,00 Euro für die große Portion
Bewertung: Neben der unerwarteten Schonkost-Variante verdient dieses Lokal noch zwei Bonuspunkte für 1.) die Öffnung am Montag und 2.) einem auf Wunsch sortenreinen Weinschorle

Lokalität: Wildbader Hof
König-Karl-Straße 43
75323 Bad Wildbad
Tel:: 07081/ 2476
E-Mail: info@wildbaderhof.de