Montag, 31. März 2025

Die Zeit steht still ***



 

 

 

 

 










An manchen Orten streicht die Zeit scheinbar folgenlos vorbei. Hätte nicht die untrügliche Historie unser letztes Spätzlemahl im Stadtcafé auf das Jahr 2016 datiert, würde es sich wie gestern anfühlen. Das unverändert freundliche Ambiente hat alle zu vermutenden Abnutzungserscheinungen schadlos überstanden - bis hin zur vielgenutzten Garderobe. 

Aufgrund des strategisch geschickt gewählten Sitzplatzes schweift mein Blick über Theke und Durchreiche geradewegs in die Küche hinein. Und zeigt: hier geht alles mit rechten Dingen zu. Hier kommen noch Pfanne und Topf zum Einsatz, ganz entgegen der andernorts dominanten Mikrowellen-Präsenz.

Menge: reichlich
Spätzle: leider viel zu weichgenudelt
Käse: ein extrem fädenziehendes Mirakel, das die Chefin immer noch als "Spätzleskäs" vorstellt
Zwiebeln: mit krossen Fertigröstzwiebeln wurde nicht gespart
Viskosität: so soft, dass selbst zahnlose Esser zum Zuge kämen
Beilage: offiziell keine, doch die begleitende Salatgarnitur erfreut durch knackige Salatblätter, megafrische Paprikaringe, gestiftelte Möhren, halbe Cocktailtomaten und einige Überraschungsgurkenscheiben
Zubereitungszeit: exakt 5 Minuten
Abgang: so leicht, dass noch ein Versucherle vom delikaten Träubleskuchen (4,20 Euro) meines Mitessers reinpasst
Preis: 14,50 Euro - mehr als doppelt so viel als vor 9 Jahren
Bewertung: Fleiß, Durchhaltekraft und kulinarische Kontinuität beeindrucken. Das Stadtcafé hat täglich geöffnet - und das seit 18 Jahren.

Lokalität: Stadtcafé Holzgerlingen
Turmstrasse 6
71088 Holzgerlingen
Tel: (07031) 41 47 77
E-Mail: willkommen@dasstadtcafe.de

Sonntag, 23. März 2025

Da braut sich was zusammen ***


 


 

 

 

 

 

 

 



Nur wenige Lokale durfte ich über eine so lange Zeitspanne mit so vielen Pächterwechseln begleiten. Im Volksmund noch unter "Dinkelakerei" bekannt, hat die später als "Platzhirsch" firmierende rustikale Braugaststätte im Herzen von Böblingen bereits ein lustiges Bäumchen-Wechsel-Dich-Spiel zwischen kosmopolitischen Anwandlungen, spirituellen Genüssen und Pop-up-Zwischennutzungen erlebt.

Auch nach erneutem Wechsel brummt das Lokal wie eh und je, wird geradezu überflutet von einem Mehrgenerationen-Publikum zwischen Kinderwagen und Gehstock. Ohne Reservierung bekommt man sowieso kein Bein in diese geheiligten Hallen. Und selbst dann muss man den Trubel mögen.

Menge: damit nicht auch noch der Hosenbund platzt, bestelle ich - ohne mit der Wimper zu zucken - die Seniorenportion (und die reicht aus)
Spätzle: was wollen uns "Omas Kässpätzle" sagen? Nach ihrem Rezept fabriziert? Von ihr geschabt? Geschickte verbale Mogelpackung?
Käse: Bergkäse, meint die Karte
Zwiebeln: ein Duett von schön schlonzig geschmälzten Zwiebeln und krossem Röstwerk
Viskosität: griffig
Beilage: standardmäßig keine - der extra dazu bestellte Beilagensalat beeindruckt optisch mit aufgetürmten Blattwerk, enttäuscht jedoch mit dem darunterliegenden laffen Kartoffelsalat und einem abgehangenen Stück Rettich
Zubereitungszeit: überschaubar
Abgang: der im Bierhumpen servierte Verdauungskaffee (3,00 Euro) sollte wohl ein Gag sein, doch mir vergeht schon beim Anblick der letzte Appetit
Preis: 9,40 Euro (in der Seniorenvariante) bzw. 12,90 Euro (als Normalportion) plus 6,50 Euro für den Beilagensalat
Bewertung: Der neue Betreiber setzt auf duftiges Aufbauschen, kluge Kalkulation und dem positiven Nachhall der traditionsreichen Location. Zwischen holzvertäfelten Wänden, schmiedeeisernen Gittern und Butzenscheiben weint man trotzdem früheren lukullischen Erlebnissen nach. Auch wenn der jetzige Service unschlagbar ist. 

Lokalität: Braugaststätte Platzhirsch
Breitmayer Faude Gastronomie GbR
Postplatz 5
71032 Böblingen
Tel. 07031/4288921
E-Mail: willkommen@braugaststaette-platzhirsch.de

Mittwoch, 5. März 2025

Schlemmerei an Aschermittwoch ***


 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wie könnte man den Aschermittwoch trefflicher begehen als mit Blick auf die Klosterinsel Reichenau? Doch während sich die fastenden Mönche im düsteren Mittelalter an Hirsche, Biber oder Schnecken hielten (wie es heute noch ein kurioser Bilderbogen im nahen Rosgartenmuseum zeigt), dürfen wir uns in der Gegenwart an weitaus schmackhafteren Speisen erfreuen. Als Bonus obendrauf: eine anregende Tischgesellschaft, die jedes Schweigegelübde ad absurdum führen würde.

Menge: der freie Gang ans verlockende Büffet verleitet selbst willensstarke Vegetarier ungebremst zur Völlerei
Spätzle: gedrungene Knöpfle
Käse: undercover recherchiert: stammt vom Käse-Caduff in Rottweil
Zwiebeln: leider knurpselige Fertig-Röstzwiebeln (wo die Gegend doch genügend Frischware in petto hielte)
Viskosität: angenehm trocken, auch wenn an buttrigem Trennmittel nicht gespart wurde
Beilage: vom attraktiven Salatbüffet wählen wir heute: grüne Blattsalate, gestiftelte Möhren, Rettichsalat, ein Alibi-Tomatenachtel, sowie reichlich Saaten und krosse Croutons
Zubereitungszeit: unbekannt, doch unermüdlich wird neu nachgelegt
Abgang: dank einem herzhaften Zweigelt-Schorle angenehm flutschend
Preis: 19,50 Euro für den vegetarischen Hauptgang, inklusive frei wählbarer Beilagen und beliebig häufigem Gang ans Salatbüffet
Bewertung: Wären wir nicht seit Jahrzehnten Stammgäste, wäre es unserer wohlwollenden Prüfung glatt entgangen: die hiesige Küche hat es schon mal besser gekonnt. Doch das angenehme Ambiente, eine selige Ruhe und ein aufmerksamer Service verwöhnen und versöhnen uns nach wie vor.

Lokalität: Hotel St. Elisabeth
Kloster Hegne
Konradistraße 1
78476 Allensbach
Tel.
07533/ 93662000